Ein Informationsanlass des Bundes gab der Bevölkerung erneut die Gelegenheit, kritische Fragen zu stellen.
Beim Geld bleibt aber noch vieles unklar.

Zum ersten Mal, seitdem bekannt ist, dass das geologische Tiefenlager für atomare Abfälle in Stadel gebaut werden soll, besuchte Bundesrätin Simonetta Sommaruga das Zürcher Unterland. Die Vorsteherin des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation war anlässlich eines Anlasses im Riverside Hotel in Glattfelden angereist, um Meinungen aus der Bevölkerung abzuholen und sich ein Bild vor Ort zu machen. Überfüllter Saal Mehrere Hundert Personen nahmen am Anlass teil und hörten den Ausführungen der Bundesrätin und den zahlreichen Politikern und Behörden zu. Im Anschluss an die Referate hatte die Bevölkerung die Gelegenheit, Fragen zu stellen oder Meinungen zu äussern. Fragen zur Sicherheit und Geologie wurden ausreichend beantwortet. Bei den Abgeltungen ist bisher aber noch alles offen. Unterschriften überreicht Privatpersonen aus dem Stadler Ortsteil Windlach hatten letzte Woche über 350 Unterschriften gesammelt. Diese wurden vor dem Anlass zusammen mit einem Brief, in dem mehrere Forderungen aufgelistet werden, Bundesrätin Sommaruga übergeben.

Auch der Besuch der Bundesrätin bringt nur Ernüchterung Tiefenlager in Stadel Simonetta Sommaruga kam nach Glattfelden, um über das Tiefenlager zu informieren. Die Fragen aus der Bevölkerung gingen dabei beinahe unter.

«Dafür ist es noch zu früh», «Das ist erst noch in der Planung», «Das ist Teil von Verhandlungen» – wenn es um das Tiefenlager geht, sind die Antworten auf die brennendsten Fragen meist vorprogrammiert. Nichtsdestotrotz begab sich Bundesrätin Simonetta Sommaruga ins Zürcher Unterland, genauer gesagt ins Riverside Hotel in Glattfelden, um sich zum ersten Mal der betroffenen Bevölkerung zu stellen. Um ihre Unterstützung zu bekunden und, wie sie betonte, «um zuzuhören». Nach mehreren Referaten von Politikern, Behörden und der Nagra durften auch die Bevölkerung aus der Region kurz zu Wort kommen. Dass das Erscheinen derVorsteherin des Departments für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation ein grosses Publikum angezogen hatte, merkte man bereits bei der Anfahrt ins Riverside: Weil die Parkplätze nicht ausreichten, reihten sich zahlreiche Fahrzeuge neben der Zufahrt zum Hotel. Auch der Saal, der laut Riverside-Website 450 Personen fasst, war innerhalb weniger Minuten voll. Weitere Stühle wurden reingetragen, mehrere Teilnehmende mussten den Anlass im Stehen verfolgen.

Problem für Generationen Das geologische Tiefenlager und die Frage darüber, wie wir mit unserem nuklearen Abfall umgehen, «ist ein Problem, das uns heute beschäftigt, aber viele kommende Generationen betreffen wird», öffnete Bundesrätin Sommaruga den Anlass. Weil das Lager voraussichtlich in Stadel gebaut werde, übernehme die Region eine wichtige nationale Aufgabe. Es sei nur selbstverständlich, dass sie dafür auch entschädigt werde. Wie hoch der Betrag ist und wie das Geld eingesetzt werden kann, muss jedoch, wie Vertretende des Bundes wiederholt gesagt haben, mit den Entsorgungspflichtigen, also den Energieanbietern, verhandelt werden. Im Anschluss an die Erläuterungen von Sommaruga äusserten sich verschiedene Entscheidungsträger zum Standortentscheid: Der Stadler Gemeindepräsident Dieter Schaltegger, der bei der Standortankündigung am 12. September der Mann der Stunde war, äusserte Bedenken. «Wir lassen uns nicht aus der Ruhe bringen», sagte er. «Aber wir hoffen auch, dass man uns und die Last, die wir für den Rest der Schweiz tragen werden, nicht vergisst.»

Kein politischer Entscheid Regierungsrat Martin Neukom (Grüne) räumte ein, nicht froh über den Entscheid der Nagra zu sein. Der Ausschuss der Kantone, ein Gremium der möglichen Standortkantone (Aargau, Thurgau, Schaffhausen und Zürich), hatte aber bereits Fachleute damit beauftragt, die Forschungen der Nagra noch einmal zu überprüfen. «Und die sind zum gleichen Schluss gekommen», sagte Neukom. «Das gibt mir das Vertrauen, dass es kein politischer Entscheid war, sondern die Sicherheit ausschlaggebend gewesen war.» Nach mehr als einer Stunde wurden Fragen und Meinungen aus dem Publikum vorgelesen. Während die Vertretenden von Bund und Nagra zu den Themen Geologie und Sicherheit klare Aussagen machen konnten, blieben die Antworten zu den Entschädigungen unbefriedigend.

Wie sich das Tiefenlager beispielsweise auf die Immobilienpreise in der Region auswirken wird, ist noch nicht klar. Entschädigungen geltend machen können allenfalls nur Personen, die nachweisen können, dass das Lager direkt für den Wertverlust verantwortlich ist. «Das ist alles noch sehr offen », sagte BFE-Vizedirektor Roman Mayer. Und: «Dafür ist es noch zu früh.» Etwas Positives konnten die Anwesenden dem Anlass doch noch abgewinnen: In der vergangenen Woche hatten Privatpersonen aus Windlach einen Brief an Bundesrätin Simonetta Sommaruga verfasst und Unterschriften gesammelt. Darin wurde gefordert, dass die Resultate der Forschungen der Nagra von unabhängigen Geologen noch einmal überprüft werden. Auch sollen die Menschen in der Region Geldbeträge aus den Abgeltungen erhalten.

Über 350 Personen, mehrheitlich aus Windlach und Stadel, hatten den Brief unterschrieben. Yvonne Müller, die Initiantin der Aktion, konnte den Brief der Bundesrätin übergeben und zeigte sich sichtlich zufrieden: «Frau Sommaruga hat versprochen, dass sie den Brief lesen und uns antworten wird», sagte sie. Somit habe die Region aus der Bevölkerung mindestens ein Ziel erreicht: ein Zeichen zu setzen.
Quelle: Zürcher Unterländer vom 1. November 2022

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